Anschlussbahnen verbinden Unternehmen und Warenumschlagplätze wie Häfen mit dem öffentlichen Schienennetz und spielen damit eine wichtige Rolle im Güterverkehr. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die eisenbahnrechtlichen Rahmenbedingungen, Fördermöglichkeiten und einige regulatorische Aspekte.
14.3.2025
Bedeutung
Bei Anschlussbahnen handelt es sich im Regelfall um private Gleise, die von einem Warenumschlagplatz (zB Hafen) oder den Produktionshallen eines Unternehmens zum öffentlichen Schienennetz führen. Das Eisenbahngesetz (EisbG) definiert sie sinngemäß als Schienenbahnen, die den Verkehr eines oder mehrerer Unternehmen mit Haupt-, Neben- oder Straßenbahnen vermitteln und mit ihnen so verbunden sind, dass ein Übergang von Schienenfahrzeugen stattfinden kann (§ 7 EisbG).
Anschlussbahnen haben damit eine erhebliche volkswirtschaftliche Bedeutung; sie erfüllen eine Zubringerfunktion zum öffentlichen Bahnnetz und bilden damit oft die letzte bzw. erste Meile für den Güterverkehr auf der Schiene. 2022 konnten vom Netz der ÖBB-Infrastruktur AG aus rund 926 Anschlussbahnen erreicht werden.
Mehr Sichtbarkeit: Anschlussbahnverzeichnis
Mit der EisbG-Novelle 2024 wurde der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH (SCHIG) die Einrichtung eines Anschlussbahnverzeichnisses aufgetragen (§ 17c EisbG). Das Verzeichnis ist hier öffentlich einsehbar. Es steht im Zusammenhang mit dem Masterplan Güterverkehr 2030 und soll der verladenden Wirtschaft sowie auch den Eisenbahnverkehrsunternehmen einen besseren Überblick über bereits bestehende Angebote geben und die gemeinsame Nutzung von Anschlussbahnen durch mehrere Unternehmen begünstigen.
Arten von Anschlussbahnen
Hinsichtlich der Betriebsführung wird grundsätzlich unterschieden zwischen
- Anschlussbahnen mit Eigenbetrieb mittels Triebfahrzeugen oder Zweiwegefahrzeugen;
- Anschlussbahnen mit Eigenbetrieb mittels sonstiger Verschubeinrichtungen; und
- Anschlussbahnen ohne Eigenbetrieb.
Historisch spielte diese Unterscheidung eine Rolle für der Behördenzuständigkeit. Heute steht sie vor allem im Zusammenhang mit den rechtlichen Anforderungen an den jeweiligen Anschlussbahnbetreiber, wie z.B. der Pflicht zur Bestellung eines Betriebsleiters und zur Erstellung allgemeiner Anordnungen (§§ 21, 21a EisbG).
Zudem wird danach unterschieden, ob eine Anschlussbahn direkt oder indirekt (über eine andere Anschlussbahn) mit dem öffentlichen Schienennetz verbunden ist. In letzterem Fall handelt es sich um eine Nebenanschlussbahn (auch bezeichnet als verästelte Anschlussbahn bzw. Nebenanschließer). Das hat Folgen insbesondere für die Frage, mit wem ein Infrastrukturanschlussvertrag abgeschlossen werden muss.
Zuständige Eisenbahnbehörde
Für alle Arten von Anschlussbahnen ist die zuständige Eisenbahnbehörde der jeweils örtlich zuständige Landeshauptmann (§ 12 Abs 1 EisbG). Die frühere Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörden ist 2020 entfallen.
Eisenbahnrechtliche Genehmigungen
Zum Bau und zum Betrieb von sowie zur Erbringung von Eisenbahnverkehrsdiensten auf der Anschlussbahn ist grundsätzlich eine Genehmigung erforderlich (§ 17 EisbG). Darüber hinaus ist eine Baugenehmigung (die bereits mit der grundsätzlichen Genehmigung verbunden werden kann, vgl § 17a Abs 4 EisbG) und eine Betriebsbewilligung einzuholen. Insbesondere beim Ausbau oder der Reaktivierung von alten Anschlussbahnen ist zu prüfen, inwiefern bestehende Bescheide weiter gelten oder neuen Genehmigungen bzw. Bewilligungen erforderlich sind.
Förderprogramm
Investitionen zur Errichtung, Erweiterung und Optimierung von Anschlussbahnen können insbesondere im Rahmen des Anschlussbahn- und Terminalförderprogramm (ATF) gefördert werden. Die rechtliche Grundlage dafür bildet derzeit die beihilfenrechtlich genehmigte Sonderrichtlinie „Programm für die Unterstützung des Ausbaus von Anschlussbahnen sowie von Umschlagsanlagen des Intermodalen Verkehrs“ SA.104987-Österreich (1.1.2023 – 31.12.2027). Die Einreichung von Förderanträgen erfolgt bei der SCHIG und ist laufend möglich. Werden die Voraussetzungen des Programms erfüllt, können bis zu 40 % der anrechenbaren Investitionskosten gefördert werden, wobei allerdings als Obergrenze bei der Errichtung bzw. Reaktivierung einer neuen Anschlussbahn ein Betrag von € 2.5 Millionen, bei der Erweiterung einer bestehenden Anschlussbahn ein Betrag von € 2 Millionen und im Fall von Bestandsinvestitionen maximal ein Betrag von € 300.000 bzw. bei Investitionen in Umschlagsgeräte mit klimafreundlichem Antrieb maximal € 500.000 gilt.
Erforderliche Vertragswerke
Welche vertraglichen Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Anschlussbahn benötigt werden, ist jeweils im Einzelfall zu prüfen. Erforderlich sein wird jedenfalls ein Infrastrukturbahnanschlussvertrag zum Anschluss an das öffentliche Bahnnetz bzw. bei einer Nebenanschlussbahn an die vorgelagerte Anschlussbahn. Wird die Anschlussbahn nicht selbst Betrieben, ist zudem ein geeigneter Partner zu finden und mit diesem ein Betriebsvertrag abzuschließen. Soll dritten Eisenbahnverkehrsunternehmen auf der Anschlussbahn Zugang gewährt werden, sind zudem entsprechende Infrastrukturnutzungsverträge (Fahrwegkapazitätsverträge) mit diesen abzuschließen, um die gegenseitigen Rechte und Pflichten zu regeln.
Regulatorische Zugangsansprüche im EisbG; Aufsicht der Schienen-Control
Anschlussbahnen mit Zubringerfunktion zu bestimmten Serviceeinrichtungen (Güterterminals, Häfen etc) und verästelte Anschlussbahnen unterliegen grundsätzlich der Schienenmarktregulierung und der entsprechenden Wettbewerbsaufsicht durch die Schienen-Control Kommission (SCK). Dritte Unternehmen haben daher grundsätzlich einen regulatorischen Zugangsanspruch. Dieser ist durch Zuweisung von Fahrwegkapazität zu nichtdiskriminierenden, angemessenen und transparenten Bedingungen mit einem schriftlichen Vertrag zu gewähren (§ 75a Abs 1 und 2 EisbG). Unter bestimmten Umständen kann die SCK dem Anschlussbahnbetreiber auf Antrag Erleichterungen von den sich aus der Regulierung des Schienenverkehrsmarktes ergebenden Verpflichtungen gewähren, soweit dadurch nicht die Erreichung des Regulierungszweckes gefährdet wird (§ 75a Abs 3 EisbG). Nähere Informationen zur Schienenmarktregulierung, Zugangsansprüchen und Anschlussbahnen finden sich im meinem Fachbuch über Regulierung und Wettbewerb im Schienenverkehr.
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